Wer war Adolph Hoffmann?

(1858-1930)

 

von Heiner Jestrabek:

 

 

Am 12. November 1918, in Folge der revolutionären Ereignisse, übernahm Adolph Hoffmann, als Vertreter der USPD, gemeinsam mit dem eher rechten Sozialdemokraten Konrad Haenisch, die Leitung des preußischen Kultusministeriums, des späteren Ministeriums für Wissenschaft, Kultur und Bildung. Innerhalb weniger Wochen setzte Hoffmann, gegen erhebliche Widerstände, Forderungen der Freidenkerbewegung durch: Abschaffung der geistlichen Schulaufsicht (27.11.), Aufhebung des Religionszwangs an den Schulen (29.11.), die Trennung von Schule und Kirche und für Erleichterungen beim Kirchenaustritt (13.12.), Gleichzeitig trat er dafür ein, dass den Eltern das Recht zustehen müsse, ihre Kinder "dissidentisch" zu erziehen, plädierte für die Einführung des konfessionsfreien Moralunterrichts und die Beseitigung staatlicher Zuschüsse an die Kirchen. Außerdem bestand er auf der Abschaffung der konfessionellen Eidesform, der Aufhebung des § 166 des Strafgesetzbuches ("Gotteslästerung") und die Zulassung von "Dissidenten" zum Staatsdienst. Diese Maßnahmen bedeuteten praktisch eine "Trennung von Staat und Kirche und Schule und Kirche auf reichsgesetzlichem Wege". Eine Formulierung, die dann im Artikel 138, Abs. 1 der Verfassung einging. Geplant war für den 1. April 1919 alle staatlichen Zuschüsse an die Kirchen einzustellen. Aber schon im Dezember erkranke Hoffmann und sein sozialdemokratischer Mitminister Haenisch setzte das wichtige Reformwerk einfach aus. Die weitere politische Entwicklung in Deutschland verhinderte die bis heute aktuelle Trennung von Kirche und Staat. Paradox und tragisch zugleich hierbei war, dass bei der Umsetzung der berechtigten Forderungen nach Trennung von Kirche, Schule und Staat, der Freireligiöse Hoffmann konsequent und entschlossen handelte, der aus der proletarischen Freidenkerbewegung stammende Haenisch dagegen als Bremser fungierte. (Es kommt eben doch darauf an, die Welt nicht nur zu interpretieren, sondern sie zu verändern!)

Wer war dieser Politiker, der die historisch einmalige Chance nutzte und die Forderungen der Freidenkerbewegung in Deutschland realisieren wollte?

 

23. März 1858. Johann Franz Adolph Hoffmann in Berlin als außereheliches Kind eines Dienstmädchens geboren. Die Mutter starb bald nach der Geburt. Er wuchs zunächst im Kinderheim, später bei Verwandten am Berliner Alexanderplatz auf.

1867 nach dem Tod des Pflegevaters (eines Tuchmachers) musste er selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommen.

Bis 1872, zum Lehrbeginn als Graveur, später als Vergolder, brachte er es deshalb nur auf rund dreieinhalb Jahre Schulbesuch. Sein späteres gutes Allgemeinwissen verdankte er seinem Fleiß und seinen autodidaktischen Bemühungen, trotz 14stündiger Arbeitszeit und sonstiger Arbeitspflichten. Als junger Mann bestritt er seinen Lebensunterhalt in der Textil- und Metallbranche.

Seit 1873 besuchte er regelmäßig die Veranstaltungen der Berliner Freireligiösen Gemeinde

1876 Anschluss an die Sozialdemokratie

1879 Heirat mit Emmi. Bis 1884 entstand eine sechsköpfige Familie.

1883. Mit 25 Jahren musste er wegen eines Lungenleidens seinen Beruf aufgeben und wurde Hausierer für Bücher, Zeitschriften, selbstgemalte Landschaftsbilder, Tabak- oder Kurzwaren im Berliner Osten.

1884. Nach einem Versuch der Anwerbung als Polizeispitzel entlarvt er die Bismarckschen Polizeipraktiken und wird unter Anklage des Hochverrats gestellt. Nach 50 Tagen Untersuchungshaft Freispruch. Er  musste allerdings Berlin verlassen und übersiedelte nach Halle/Saale. Eröffnung eines kleinen Geschäftes. Dort illegaler sozialdemokratischer Treffpunkt und Verteilung von Druckschriften.

1887 Kandidatur für den Reichstag mit über 20 Prozent der Stimmen.

1889 Teilnahme am Gründungskongress der II. Internationale in Paris.

1890 Leitung der sozialdemokratischen Zeitung "Volksbote" in Zeitz. Gleich in der ersten Nummer sprach er sich gegen den Religionsunterricht aus und löste einen "Schullehrerprozess" aus. Bis 1891 folgten ein halbes Dutzend weitere Prozesse. Fast jeder endete mit Geld- oder Haftstrafen für Hoffmann. Daneben war er ständig in Religionsprozesse verwickelt, da er es ablehnte, seine Kinder in den Religionsunterricht zu schicken.

1891 erschien seine Schrift für die Kirchenaustrittbewegung "Die Zehn Gebote und die besitzende Klasse". Bis 1922 erreichte die Broschüre 15 Auflagen und über 100.000 gedruckte Exemplare. Somit Geburt des Spitznamens "Zehn-Gebote-Hoffmann" und des späteren "A. Hoffmann Verlag Berlin O", in dem über 200 Titel erschienen, darunter auch eigene Theaterstücke.

1893 erneute Kandidatur zu den Reichstagswahlen (knappe Niederlage nach Stichwahl). Rückkehr nach Berlin-Pankow.

1893 zweiter, ab 1913 erster Vorsitzender der Berliner Freireligiösen Gemeinde. Die Berliner Freireligiöse Gemeinde erlebte in der Zeit der Sozialistengesetze einen starken Zugang durch Sozialdemokraten. 1887 kam es zur Spaltung durch Liberale und Freisinnige, die sich zur "Humanistischen Gemeinde" konstituierten. Die nunmehr mehrheitlich sozialdemokratisch orientierten Freireligiösen wählten den Schriftsteller Bruno Wille zu ihrem Sprecher.

1900 Hoffmann wird Berliner Stadtverordneter.

1904-1906 und 1920-24 Mitglied des Reichstages und

1908-21 und 1928-1930 Mitglied des Preußischen Landtags. Er  trat in fast allen Debatten zur Schul- und Kirchenpolitik auf, wandte sich gegen die Unterordnung des Schulwesens unter die Kirche und für Chancengleichheit aller Jugendlichen. Er forderte die Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse und eine Einheitsschule. Gelder für Kirchenbeamte sollten eingespart und zur Finanzierung von Schulprojekten verwendet werden. Auch forderte er die "Wahl der Staatsdiener durch das Volk" und wandte sich, im Gegensatz zu rechten Sozialdemokraten wie Max Schippel oder Gustav Noske, gegen die deutsche Kolonialpolitik, die Unterdrückung fremder Völker, Militarismus und Krieg.

1912/13 aktiv im "Komitee Konfessionslos" und Unterstützung der Kirchenaustrittsbewegung "Massenstreik gegen die Staatskirche" gemeinsam mit Karl Liebknecht, Ewald Vogtherr, Walter Oehme, Ernst Haeckel und Wilhelm Ostwald.

1914 Distanzierung von der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion wegen deren Zustimmung zu den Kriegskrediten. Er verblieb als Oppositioneller in der Partei und wurde im

Juni 1916 Vorsitzender der Berliner Parteiorganisation, im

April 1917 Mitglied der USPD.

9. November 1918, unter seiner Leitung, Besetzung des Roten Rathaus und einen Tag später das preußische Abgeordnetenhauses.

12. November 1918 gemeinsam mit Konrad Haenisch Leitung des Preußischen Kultusministeriums. Maßnahmen zur Trennung von Kirche, Schule und Staat

8. Dezember Lungenentzündung und längere Arbeitsunfähigkeit. Dies nutzte Konrad Haenisch um verfügte Gesetze wieder aufzuheben bzw. abzuschwächen. Nach dem Bruch zwischen SPD und USPD schied Hoffmann am 5. Januar 1919 aus dem Kabinett aus.

1920 nach der Enttäuschung über die deutsche Revolution, geht Hoffmann mit der USPD-Linken zur VKPD, gehört deren Zentrale an und leitete deren Reichstagsfraktion.

1921 verlässt er mit Ernst Däumig und Paul Levi die KPD und gehört der Kommunistischen Arbeitsgemeinschaft (KAG) an, die sich später der USPD anschließt und mit ihr

1922 zurück zur SPD geht, auf deren linken Flügel.

Am 1. Dezember 1930 verstarb Hoffmann in Berlin. Bei der Trauerfeier im Krematorium Gerichtstraße im Wedding sah man, laut "Vorwärts", neben Parteivertretern vor allem Vertreter des Deutschen Freidenker-Verbandes mit ihrem Vorsitzenden Max Sievers, des Bundes der freien Schulgesellschaften, sowie des Bundes für Geistesfreiheit und der Berliner Freireligiösen Gemeinde. Die Beisetzung der Urne fand im Zentralfriedhof Friedrichsfelde statt.

1950 Umbettung zum Urnengrab in der Gedenkstätte der Sozialisten.

Eine weitere Erinnerungsstätte für Hoffmann ist das ehemalige Wochenendhaus "Waldesfrieden" in Fredersdorf (Kreis Märkisch-Oderland), Ortsteil Vogelsdorf, Fröbelstr. 29. Hier gab es noch bis 1990 eine von Hoffmann eigenhändig angebrachte Tafel, mit dem Text:

 

"Mit Trinken, Spielen und Rauchen

kann man viel Geld verbrauchen.

Spart man daran, pro Woche drei Mark,

spricht mancher, das ist ein rechter Quark.

Ich hab's mir 50 Jahre getraut

und davon Waldesfrieden gebaut.

Adolph Hoffmann

Erbaut 1906-1923"

 

Weiterlesetipps:

Hoffmann-Ausstellung des HVD: http://www.hvd-bb.de/aktuelles/eroeffnung-hoffmann-ausstellung-brandenburger-landtag
Gernot Bandur: Adolph Hoffmann - feuriger proletarischer Vulkan. Selbstverlag, Berlin-Weißensee 2000; und Ders.: Adolph Hoffmann Leben und Werk, Freireligiöser, sozialistischer Verleger und Politiker. Hrsg. von der Humanistischen Akademie Berlin. Redaktion: Eckhard Müller, Berlin 2008.
Horst Groschopp (Hrsg.): ‚Los von der Kirche!‘ Adolph Hoffmann und die Staat-Kirche-Trennung in Deutschland. Alibri Verlag, Aschaffenburg 2009 (Schriftenreihe der Humanistischen Akademie Berlin, Band 2)

Adolph "Hoffmann's Erzählungen" : Gesammelte ernste und heitere Erinnerungen aus sozialistengesetzlicher Zeit: http://library.fes.de/pdf-files/netzquelle/03436toc.html

http://de.wikipedia.org/wiki/Adolph_Hoffmann