Wer war Louise Aston?(1814-1871)
von Heiner Jestrabek
Eine zu unrecht vergessene Vorkämpferin für Frauenrechte und Geistesfreiheit.
Die heute weitgehend unbekannte Lyrikerin, Publizistin und Frauenrechtlerin ist als Louise Hoche am 26. 11. 1814 in Gröningen bei Halberstadt geboren. Die Tochter eines Konsistorialrats, musste 1835 gegen ihren Willen eine Konvenienzehe mit dem in Magdeburg lebenden englischen Dampfmaschinenfabrikanten Samuel Aston eingehen. 1838 folgte die Scheidung. Nach einer zweiten Scheidung und drei Töchtern, erfolgte mit der Tochter Jenny 1845 der Umzug nach Berlin. Den Lebensunterhalt verdiente sie sich mit Schriftstellerei und lebte mit Rudolf Gottschall zusammen. 1846 wird ihr erster Gedichtband 'Wilde Rosen' veröffentlicht. Die Themen ihrer zwölf Gedichte waren persönliche Erlebnisse und Erfahrungen, ebenso wie die Ideen der utopischen Sozialisten, der Saint-Simonisten. Die "Emanzipation des Fleisches" auch für Frauen zu fordern, ihr freimütiges Bekenntnis zu freier, sinnlicher Liebe, begründete ihren Ruf als 'femme scandaleuse' und als 'Emanzipierte'. ("Freiem Leben, freiem Lieben/ bin ich immer treu geblieben."). Louise Aston entwickelte sie sich zu einer der konsequentesten Frauenrechtlerinnen des 19. Jahrhunderts. Daneben lernte sie hautnah die soziale Not der Arbeiter Berlins kennen, die sie in ihrem autobiographischen Roman 'Aus dem Leben einer Frau' (1847) thematisierte. Ihr zentrales Thema blieb aber die Gleichberechtigung von Mann und Frau.
"Ich will vor Sünde und Kreuz bewahrt,
Stark durch des eigenen Geistes Ringen,
Mich aus Fesseln und Banden schwingen
Auf zu begeisterter Himmelfahrt!"
(aus: Nachtphantasien)
Ihr Nonkonformismus (sie trug sie wie George Sand Männerkleidung und ging mit einer Zigarre rauchend 'Unter den Linden' spazieren) und die unverhohlene Kritik an organisierter Religion, führten 1846 zu ihrer Ausweisung als "staatsgefährliche Person", die "Ideen geäußert und ins Leben rufen wolle, welche für die bürgerliche Ruhe und Ordnung gefährlich seien". "Ohne Scheu" habe sie bei der Vernehmung erklärt, "... sie glaube nicht an Gott und rauche Zigarren. Sie beabsichtige die Frauen zu emancipieren und sollte es ihr Herzblut kosten. Sie halte die Ehe für ein unsittliches Institut und erst, wenn der Glaube an Gott und das Institut der Ehe fortfalle, würden die Menschen glücklich sein." Sie beschrieb diesen Vorgänge in dem Buch 'Meine Emancipation, Verweisung und Rechtfertigung'.
Nach ihrer Ausweisung schreibt Louise Aston in Köpenick ihre drei Romane, die 1847-49 erscheinen.
1848 nahm sie als Freischärlerin an der revolutionären Bewegungen in Schleswig-Holstein wie auch an den Barrikadenkämpfen in Berlin teil; gleichzeitig gab sie die agitatorische Zeitschrift 'Der Freischärler. Für Kunst und sociales Leben' heraus. Das Scheitern der Revolution beschreibt ihr Roman 'Revolution und Contrerevolution' (1849).
Nach erneuter Ausweisung aus Berlin heiratete sie 1850 den Bremer Arzt Daniel Eduart Meier. Meier wird wegen seines eigenen radikal-demokratischen Engagements, aber auch wegen der Vergangenheit seiner Frau, aus Bremen ausgewiesen. Die beiden verlassen Deutschland und durchziehen Russland, Odessa, Polen, Österreich, Ungarn und Siebenbürgen. Verarmt kehrt Louise 1871 zurück nach Wangen im Allgäu, wo sie am 21. 12. 1871 stirbt.
Astons Leben und Werk war auch in der zeitgenössischen Frauenbewegung umstritten. Selbst eine Kämpfernatur wie Louise Otto-Peters, weist jede Gemeinsamkeit mit ihr entschieden zurück. Sie war der Meinung, ihr "unsittlicher" Lebenswandel schade der Sache der Frauen und ihrem Kampf um Teilnahme am öffentlichen Leben. Dagegen verteidigte Mathilda Franziska Anneke in einer Flugschrift Luise Aston ('Das Weib im Conflict mit den socialen Verhältnissen'). Erst Veröffentlichung im Rahmen des modernen Feminismus ließen wieder Interesse am Werk Louise Astons erkennen.
In Potsdam
(1849)
Vom Dome hallen Glockenklänge -
Stille Andacht überall,
Gläubig singt des Volkes Menge
Zu der Orgel hellem Schall;
Dort in einsamer Kapelle
An des Altars heilger Schwelle
Knien die Allerhöchsten Sünder,
Gottes auserwählte Kinder.
Was sie beten, was die flehen?
Ihre bleiche Lippe spricht:
"Jetzt, da wir am Abgrund stehen,
Jetzt - nur jetzt verlass uns nicht!"
Unser Purpur will erbleichen,
Unsre Macht zerfällt in Scherben;
Lass mit Blute sondergleichen
Uns den Purpur wieder färben! -
Mögen sie zum Himmel beten
Und mit gestärktem Mut
Eines Volkes Recht zertreten,
Pochend auf des Höchsten Hut:
taub und schwach sind ihre Götter,
Taugen nur zum Spiel der Spötter;
Doch der Geist, der ewig freie,
Gibt dem Volk die Siegesweihe!
Bibliographie:
Wilde Rosen (Gedichtband, Berlin 1846), Meine Emancipation, Verweisung und Rechtfertigung (Brüssel 1846), Aus dem Leben einer Frau (Roman, Hoffmann u. Campe 1847. Neudr. Stgt. 1982)1847), Lydia (1848), Der Freischärler, Nr.1-7, Jg.1 (1849), Revolution und Contrerevolution (Roman, Mannheim 1849), Freischärler-Reminiscencen (Leipzig 1850)
Tipps:
Schurig, Roland (Hrsg.) Mit den muth'gen will ich's halten. Autorinnen-Autoren des Vormärz. S.24-30 (Aalen 1998)
Renate Möhrmann: Die andere Frau. Emanzipationsansätze deutscher Schriftstellerinnen im Vorfeld der 48er Revolution. (Stuttgart 1977)
Germaine Goetzinger: Für die Selbstverwirklichung der Frau. Louise Aston in Selbstzeugnissen u. Bilddokumenten. (Frankfurt/M. 1983)
Wimmer, Barabara: Die Vormärzschriftstellerin Louise Aston. Selbst- und Zeiterfahrug. (Frankfurt/M. 1993)
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